20.10.2015 - Bad Windsheim - News Nr.: 7797
Die Schranken-Posse von Bad Windsheim
Seit Ostern ist Bahnübergang defekt, Schranken müssen manuell geschlossen werden - Nerven von Autofahrern und Anwohnern liegen blank

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Eigentlich könnte man meinen, dass die moderne Technik auch in Bayern längst Einzug gehalten hat. Wo Menschen mit den Handys im Netz surfen und Busse ohne Benzin von Haltestellen zu Haltestellen rollen, dürften doch auch die Züge zuverlässig und fortschrittlich unterwegs sein. Könnte man meinen. Doch im mittelfränkischen Bad Windsheim (12.000 Einwohner) scheint die Zeit seit den 60er Jahren still zu stehen. Damals mussten Autofahrer, wenn sie die Bahngleise überqueren wollten, noch per Telefon im Stellwerk um die Öffnung der Schranken bitten. Und auch heute noch, im Jahre 2015, ist das Telefon das entscheidende Kommunikationsmittel, wenn es um darum geht, wann wer erfolgreich den Bahnübergang in der Oberntieler Straße passieren darf.

Es war Ostern diesen Jahres, als sich plötzlich die Schranken des mitten im Ort gelegenen Bahnübergangs in Bad Windsheim nicht mehr schließen wollten. Techniker der Bahn kamen und stellten fest, dass ein Relais kaputt sei, was bei Überfahren ein entsprechendes Signal an die Schrankenanlage auslöst, und jetzt ausgetauscht werden müsse. Keine große Sache, möchte man glauben. Doch für die Bahn schon. Denn diese war plötzlich der Auffassung, dass nicht nur ein einfacher Austausch des defekten Bauteils genüge, sondern wenn, müsse auch die komplette Gleisanlage ausgetauscht bzw. umgebaut werden. Mehrere zehntausend Euro würde dieses Unterfangen kosten, aber ob sich dies wirklich lohne, müssten weitere Untersuchungen ergeben. Und während die Bahn sich intern streitet, wer nun für den Austausch zuständig sei, ob dieser tatsächlich durchgeführt werden und – vor allem – was dieser kosten darf, standen und stehen die Bad Windsheimer vor einem großen Problem – oder vielmehr im langen Stau.

Denn natürlich muss der Bahnverkehr weiterlaufen und wenn die Schranken sich nicht mehr automatisch schließen, muss dies eben von Menschenhand geschehen. Insgesamt fünf Mitarbeiter der Bahnsicherheit sind daher seit Ostern jeden Tag unermüdlich zwischen 5 und 0 Uhr im Schichtdienst im Einsatz, um jeweils zur 49. und 57. Minute einer Stunde die Schranke zu schließen und wieder zu öffnen. Wichtigstes Hilfsmittel dabei ist ein gelbes Telefon. Wenn dies läutet, wissen sie, dass es wieder Zeit wird. Aus dem warmen Auto geht es raus in die Kälte, über die Straße hinab zu den Gleisen. Genau 120 Sekunden nach dem Anruf wird der Schlüssel umgelegt, die Schranken fallen und es wird auf den Zug gewartet. Eine Geduldsprobe für die Autofahrer. Denn da die Bahnwärter vom „Schließservice" nur nach dem Fahrplan handeln können, wissen sie nicht, ob der Zug nicht möglicherweise auch Verspätung hat. Wartezeiten von über zehn Minuten an der Schranke und Staus bis weit in den Ort hinein sind da keine Seltenheit, wie die Autofahrer berichten.

Natürlich ist die Bahn auch um das Wohl ihrer Mitarbeiter besorgt. Für die nötigsten Geschäfte wurde ein Dixi-Klo direkt am Bahnübergang aufgestellt. Wann die Bahn auch bei den Anwohnern und Verkehrsteilnehmern wieder für Erleichterung sorgen kann, steht derweil in den Sternen. Vermutlich erst nach dem Winter könnte mit den Reparaturarbeiten begonnen werden. Sofern man sich denn einig ist, ob und was repariert werden soll. Und solange sorgen die Sicherheitsleute weiterhin für eine sichere Überfahrt am Übergang von Bad Windsheim – und hoffen weiter auf die Geduld der Bewohner. Wie viel der Einsatz der Schrankenwärter mehr kostet, als die schnelle Reparatur, darüber hüllt sich die Deutsche Bahn derweil im Schweigen.


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