15.04.2015 - Sulzbach-Rosenberg - News Nr.: 6298
Unfassbares Verhalten schockiert Ersthelfer
Schaulustige behindern Rettungsarbeiten

© News5 / Grundmann

Ein Kreuz steht am Straßenrand, Blumen und Kerzen liegen davor. Auf der Straße erinnern die Reste des Ölbindemittels an das schlimme Unglück mit zwei Toten, was sich hier vergangene Woche ereignete. Erst jetzt werden die schlimmen Begleiterscheinungen nach und nach bekannt, die sich rund um dieses Unglück abgespielten. Ein 80-Jähriger wollte damals mit seinem Jaguar die B85 bei Kropfersricht kreuzen, als er den Wagen eines 28-Jährigen übersah. Beide Fahrzeuge kollidierten mit hoher Geschwindigkeit und schleuderten über die Straße, Trümmerteile flogen meterweit. Der Senior und seine 74-jährige Frau sterben, der 28-Jährige sowie eine 80-jährige, ebenfalls im Jaguar sitzende, Frau werden teilweise lebensgefährlich verletzt.

Bernhard Graml ist zur gleichen Zeit mit seinem Lkw unterwegs, sieht die Unglücksstelle und steigt aus. Aufgeregt rennt er zu den beiden Fahrzeugen und versucht sich ein Bild von der Lage zu machen. „Der Fahrer im Jaguar war eingeklemmt, seine Frau wurde bereits von jemandem anders versorgt. Gemeinsam mit einer Krankenschwester zog ich eine weitere Frau von der Rückbank des Autos und legte sich auf die Straße. Sie hatte keine Vitalzeichen mehr“, berichtet der Ersthelfer. Während er auf der Straße versucht, die Frau zu reanimieren, passiert das Unfassbare. Ein Auto fährt durch die Unfallstelle durch, „umkurvt" Unfallfahrzeuge und die auf der Fahrbahn liegenden Verletzten. Andere Fahrzeuge folgen. „In dem Moment denkst du nichts, aber im Nachhinein macht es dich auf jeden Fall zornig“, zeigt sich Graml auch eine Woche nach dem Unfall noch schockiert.
Ähnliches weiß auch Jürgen Schloß zu berichten. Der Feuerwehrmann war als einer der ersten Helfer vor Ort, unmittelbar vor ihm fuhr ebenfalls ein Fahrzeug noch durch das Trümmerfeld: „Am Anfang herrschte wirklich Chaos, drei Ersthelfer liefen direkt auf mich zu.“ Doch nachdem die Bundesstraße durch die Feuerwehr gesperrt war, kamen neue Probleme auf die Helfer zu. Nachdem die erste Hektik vorbei war, fiel ihm noch etwas anderes schockierendes Phänomen auf. „Die Straße war zugeparkt mit Autos. Es herrschte Volksfeststimmung. Die Leute machten aus 50 Metern Bilder und Videos mit ihren Handys, manche versuchten mit ihren Fahrzeugen noch näher an den Unfallort heranzufahren“, gibt sich der erfahrene Feuerwehrmann angesichts dieses rücksichtslosen Verhaltens fassungslos. Bereits in der Vornacht hatte er ähnliches erleben müssen, als bei einem Hausbrand bei Null Grad Außentemperaturen sämtliche Balkone der Nachbarhäuser gut besucht waren und die Menschen sich nichts entgehen lassen wollten. Wenig später stellten er und seine Kameraden fest, dass im Internet zahlreiche durch Gaffer geschossene Fotos von der Unfallstelle herumgeisterten. „Anhand der Uhrzeit konnten wir feststellen, dass die Bilder veröffentlicht wurden, als wir noch mitten im Rettungseinsatz waren.“
Welche gravierenden Folgen so ein Verhalten der Schaulustigen haben kann, musste Polizist Michael Kernebeck dann erfahren. Ihm fiel die schwere Aufgabe zu, die Angehörigen über den Tod ihrer Verwandten zu informieren. Als er auf der Dienststelle eintraf, klingelte bei ihm das Telefon. Die Tochter der Verstorbenen rief an, nachdem sie aus den Sozialen Netzwerken von dem Unglück erfahren hatte, berichtete er über den eingetretenen "Worst-Case". Ihm blieb letztendlich nichts anderes übrig, als am Telefon der Frau die Todesnachricht ihrer Eltern zu übermitteln, ehe er im Anschluss gemeinsam mit einem Kriseninterventionsteam zu den Angehörigen fuhr. Eine sinnvolle psychologische Betreuung ist somit nicht mehr möglich. Alle Beteiligten sind sich einig, dass insbesondere dieser Unfall und das Verhalten der Menschen zeigt, dass Schwellen und Grenzen, die früher galten, immer weiter zurückgehen und der Wunsch nach Befriedigung der Neugierde immer weiter steigt, was sowohl bei Feuerwehr, als auch Polizei und Ersthelfer nicht nur Sorgen auslöst, sondern vor allem auf großes Unverständnis stößt.


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