Es wirkt schon fast etwas wie im Film. Langsam hebt sich eine Spitze über die Tannenwipfel des Bayerischen Waldes. Wie ein Dolch schiebt sich das gigantische Windrad am Montag (15.01.2018) langsam empor und wandert wie von Geisterhand durch den Wald. Am Ende des 67 Meter langen Ungetüms rollt der "Blade Lifter", eine selbstfahrende Arbeitsplattform, in Schritttempo vorwärts. Gesteuert wird er von Schwertransport-Profi Manuel Deistler. Es gibt nur wenige Menschen, die geschult sind im Umgang mit solch komplexen Maschinen. In ganz Deutschland bieten nur drei Firmen solch eine Dienstleistung an.
"Normalerweise kommt sowas auf dem Lkw, aber die haben sonst eine Länge von bis zu 75 Metern. In den Bereichen der Natur und bei Steigungen bis 18 Prozent sowie Kurvenradien, die unter 30 Metern sind, ist es nicht anders gegangen", begründet Deistler, wieso ein klassischer Schwertransport schnell an seine Grenzen geraten wäre. Zusammen mit seinem Kollegen lenkt er als eingespieltes Team das Rotorblatt über die schmale Landstraße nach Wiesenfelden (Lkr. Bogen-Straubing).
Ziel wird eine in Bau befindliche Windkraftanlage der Firma Ostwind. Aufgrund stetig neuer und strengerer Gesetzesbestimmungen, die einen größeren Abstand zu Wohngebieten vorschreiben, wird es mit der Windkraft im Freistaat eng. "Es verbleiben in Bayern keine Flächen mehr, um sowas zu errichten", erklärt Projektmanagerin Nadine Kunze.
Daher muss man kreativ werden. Und das nicht nur bei der Standortsuche, sondern auch beim Transport. Bis zu 60 Grad hoch können die Rotorblätter während ihrer Fahrt gestellt werden, um auch die engsten Nadelöhre zu passieren, bei der jeder normale Schwertransport hängen bleibt. Insbesondere an Telefon- oder Stromleitungen oder Häuserdächer müsse man aufpassen, dass man sich nirgends einhake. Neugierig wird ihr Treiben auch von Anwohnern beobachtet, die aus ihren Häusern kommen, um den ungewöhnlichen Transport aus nächster Nähe zu bestaunen: "Das ist echt Wahnsinn und gigantisch. Sowas habe ich noch nicht im Leben gesehen."
Bis Ende der Woche wollen die deutschlandweit agierenden Profis noch zwei Windräder und ein Turmteil auf diese Art und Weise transportieren. Danach geht es weiter nach Hamburg, wo das nächste Ungetüm auf seinen schrägen Transport wartet.