11.07.2017 - Hersbruck - News Nr.: 11513
Familienglück zerstört
Lkw-Fahrer rast im Sommer 2016 in Stauende - Mutter und drei Kinder sterben in den Trümmern - Vater überlebt lebensgefährlich verletzt - Unfallfahrer fuhr mit 85 Stundenkilometern auf - Automatisches Bremssystem durch Fahrer abgeschaltet - Fahrer zu 2 Jahren und 9 Monaten verurteilt - Gerichtssprecher: "Man bekommt wirklich ein Schaudern und denkt, dass es nicht sein kann, dass ein Sekundenversagen solche Folgen haben kann."

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Sie waren auf dem Rückweg aus dem Urlaub. Eine fünfköpfige Familie aus dem Raum Ludwigsburg rollte am 17. Mai 2016 auf ein Stauende auf der A6 am Autobahnkreuz Nürnberg-Ost zu. Wie so häufig staute sich der Verkehr hier an einer Baustelle. Doch ein Lkw-Fahrer übersah den bremsenden Verkehr und raste ungebremst auf den Familienwagen, wo der er ihn auf den Hänger eines weiteren Sattelzuges schob.

Für die alarmierten Rettungskräfte was es ein Wettlauf mit der Zeit. Während die 27-jährige Mutter auf dem Beifahrersitz kommt jede Hilfe zu spät. Den 33-jährigen Vater können die Helfer nach fast einer Stunde mit lebensgefährlichen Verletzungen befreien. Doch auf der Rückbank machen die Retter eine grausige Entdeckung: Die Kinder, neun Monate, zwei und fünf Jahre, sind tot.

Der Unfall machte damals bundesweit Schlagzeilen. Am heutigen Mittwoch (12.07.2017) steht der 45-jährige Verursacher, der damals selbst schwer verletzt wurde, vor Gericht. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm fahrlässige Tötung in vier Fällen vor. In der Sitzung kam heraus, dass ein eine junge Frau unmittelbar vor dem Unfall Blickkontakt mit dem Angeklagten hatte. Demnach saß das Kind in einem Kleinbus, der sich neben dem Unfall-Lkw befand. Der Verursacher bestätigte, dass er zur Unfallzeit zur Frau geschaut habe. 

Laut Gutachter sei die Unglücksstelle auf über zwei Kilometer einsehbar gewesen. Große Schilder hätten, nachdem es in den Vorwochen zu ähnlichen Unglücken gekommen war, auf die Staugefahr hingewiesen. Denn habe der Fahrer sein Tempo nicht reduziert, sondern sei zeitweise mit 97 Stundenkilometern unterwegs gewesen. Als er auf den Familienwagen prallte, fuhr er noch mit 85 Stundenkilometern. Ein Augenzeuge berichtete, dass er keinerlei Bremslichter bei dem Sattelzug aufleuchten gesehen habe. Interessant: Der Scania-Lkw war mit einem automatischen Brems-Assistenz-System ausgestattet. Dieses agiert in drei Stufen. Zu Beginn ertönt ein Warnton, wird darauf nicht reagiert, findet eine Bremsung von 3 Meter pro Sekunde an. In Stufe 3 leitet das System eine vollautomatische Vollbremsung ein. Nach Aussagen des Gutachters sei Stufe 1 angesprungen, als der Fahrer zu der jungen Frau schaute. Die Warnung habe er allerdings ignoriert und stattdessen eine ungeklärte Aktion durchgeführt, die das gesamte Assistenzsystem ausschaltete.

Das Gericht verurteilte den Lkw-Fahrer, der aus Esslingen stammt, am späten Mittwochnachmittag zu einer Freiheitsstraße von 2 Jahren und 9 Monate. Damit blieb es unter den Forderungen der Staatsanwaltschaft und der Nebenklage, die drei bzw. vier Jahre gefordert hatten. Der Verteidiger des Unfallfahrers hatte um eine Strafe auf Bewährung gebeten.


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