28.01.2017 - Seukendorf - News Nr.: 10690
Seukendorf im Ausnahmezustand - Typisierungsaktion bringt Helfer und Örtlichkeit an die Belastungsgrenze
16-Jährige Klassenkameradin bringt alles ins Rollen - Über 2.500 Menschen folgen dem Aufruf „TOM BRAUCHT DICH... JETZT!“

© NEWS5 / Schmelzer

Engagement für Mitmenschen ist heutzutage nicht mehr selbstverständlich, aber der Landkreis Fürth hat am Samstag (28.01.2017) das Gegenteil bewiesen. „TOM BRAUCHT DICH... JETZT!“, war der Slogan, der so viele Menschen, zu einer Registrierungsaktion der DKMS, in das beschauliche Örtchen Seukendorf zog. Der 17-jährige Tom hat Blutkrebs, nur eine Stammzelltransplantation kann sein junges Leben retten. Grund genug für 2.536 Menschen, sich bei kalten Temperaturen stundenlang in die Schlange zu stellen, um sich anschließen als Stammzellspender bei der DKMS registrieren zu lassen. Die Schlange der Wartenden zog sich schon eine halbe Stunde vor Beginn bis zum Ortsschild und wurde auch zwischendrin nicht kleiner. Mit so einem Andrang hat niemand gerechnet, aber alle Helfer sind absolut begeistert, obwohl sie am Rande der Belastungsgrenze gearbeitet haben.

Solch eine Aktion kommt nicht von selbst ins Rollen, sondern braucht immer einen Initiator. „Es ist immer so, dass meist Angehörige der Betroffenen auf uns zukommen.“, berichtet Laura Riedlinger von der DKMS. Im Fall von Tom sieht es allerdings anders aus, denn der Denkanstoß und erste Anruf bei der DKMS kam von Kathrin, die eine Klassenkameradin des schwerkranken jungen Mannes ist. „Am Anfang wussten wir noch nicht wirklich, was er hat. Wir haben nur mitbekommen, dass er nicht mehr in der Schule war.“, erzählt Kathrin ziemlich mitgenommen. „Irgendwann kam es halt raus, dann haben wir überlegt, was wir machen könnten.“ Niedergeschlagen kommt die 16-Jährige an dem Tag, wo sie von Toms schwerem Schicksal und der schockierenden Diagnose erfährt nach Hause. Doch lang, lässt die aufgeweckte junge Frau den Kopf nicht hängen. Ihr fällt ein, dass sie schon einmal etwas von der DKMS gehört hat. Kurzentschlossen greift sie zum Hörer und ruft dort an. Welchen Stein sie damit ins Rollen bringt, ist der Schülerin zu diesem Zeitpunkt wohl noch nicht klar. Bewusst ist ihr nur, wir müssen Tom helfen, egal wie. Unterstützung bekommt sie bei ihrem Vorhaben von der Freiwilligen Feuerwehr Seukendorf, bei der sie selbst ehrenamtliches Mitglied ist. „Nachdem unsere Mannschaft von dieser Aktion erfahren hat, war die Resonanz sehr sehr gut. Es waren gleich Leute bereit, sich dafür zu melden, den ganzen Tag über zu helfen.“, sagt Jörg Bohun, der 1. Kommandant der Freiwilligen Feuerwehr Seukendorf. Unterstützung gibt es aber auch von Seiten der Bürgermeister, des Landrats, der Schule und des Elternbeirats und so ist es möglich innerhalb von kurzer Zeit die Vorbereitungen für eine Registrierungsaktion zu starten. Zwar ist ein enormer logistischer Aufwand erforderlich, aber den nehmen die ehrenamtlichen und hauptberuflichen Helfer gerne in Kauf. „Auch die Gemeinde muss im Hintergrund mitarbeiten.“, wie Bürgermeister Tiefel berichtet. Er ist stolz auf die Leistung, die seine Bürger erbringen und ist auch jederzeit bereit, selbst zu unterstützen, wie er am Samstag tatkräftig unter Beweis stellt. Schirmherr der Veranstaltung ist allerdings ein anderer. Landrat Matthias Dießl, ließ sich diese Verantwortung nicht abnehmen, denn es ist ihm persönlich ein großes Anliegen Tom zu helfen. Dießl selbst ist schon als Spender registriert, aber der Cadolzburger Bürgermeister Bernd Obst ließ es sich, ebenso wie der Seukendorfer Bürgermeister Werner Tiefel, nicht nehmen den Ärmel hochzuschieben und sich für eine gute Sache Blutnehmen zu lassen.

Hilfe und Unterstützung braucht der 17-Jährige aus Obermichelbach auf jeden Fall, denn nur, wenn sich ein geeigneter Spender findet, besteht die Möglichkeit, sein Leben zu retten. „Manche Erkrankungen, die auf die konventionelle Behandlung mit Infusionen, also mit der Chemotherapie, nicht ausreichend reagieren, müssen sehr viel intensiver behandelt werden. Eine der Behandlungen, die notwendig werden kann, ist die Knochenmarkstransplantation.“, erklärt Wolfram Scheurlen, Chefarzt der pädiatrischen Abteilung der Cnopf´schen Kinderklinik in Nürnberg. „In so einem Fall braucht der Patient ein ganz spezielles Knochenmark. Es muss die Eigenschaft haben, dass es sehr nach an den eigenen Blutstammzellen liegt. Es darf kein allzugroßer Unterschied sein.“, so Scheurlen weiter. Gerade deshalb ist so eine große Anzahl von Personen nötig, die sich registrieren lassen, um den passenden Stammzellenspender zu finden.

Wer es im Übrigen nicht geschafft hat sich am Samstag als Spender bei der DKMS registrieren zu lassen, der hat jederzeit die Möglichkeit unter dkms.de ein Registrierungsset anzufordern. Für Menschen, die sich aus gesundheitlichen Gründen oder wegen ihrem Alter nicht mehr registrieren lassen können, besteht aber trotzdem eine Möglichkeit zu helfen, und zwar mit einer Geldspende. „Jede Blutentnahme kostet eben 40 Euro.“, erklärt Jörg Bohun, der sich intensiv mit dem Thema beschäftigt hat. Gespendet hat auch die Mittelschule Cadolzburg, die Direktorin überreichte am Nachmittag einen Scheck in Höhe von 550 Euro. Zusätzlich gingen viele private Spenden ein, unter anderem auch von älteren Menschen, die sich nicht mehr selbst registrieren lassen können. „Wir haben gesammelt, bei uns im Ort, bei Bekannten und im Seniorenturnverein.“, berichten drei rüstige Damen, die es sich nicht nehmen haben lassen selbst vorbeizukommen.


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