22.12.2016 - Landshut - News Nr.: 10530
Abgeschleppt und abgezockt - wo ist mein Auto?
Rentnerin am Rand der Verzweiflung - Abgeschlepptes Auto über fünf Tage an unbekanntem Ort geparkt

© NEWS5 / Pieknik

Täglich geschieht es hunderttausende Male in Deutschland: Jemand kommt nach dem Einkaufen auf den Parkplatz zurück und geht ganz automatisch zu dem Stellplatz, wo er sein Auto geparkt hat. So tat es auch Petra Dancoisne auf dem REWE-Parkplatz in der Papiererstraße in Landshut. Hier hatte sie ihr Auto etwa zwei Stunden vorher abgestellt. Doch der Stellplatz ist leer - ihr Kleinwagen steht nicht mehr an dem Ort, wo er geparkt wurde. Sie ist sich sicher, bevor sie in den Laden ist und anschließend noch kurz zur Apotheke und zum Postamt in der Altstadt, stand ihr Nissan Micra genau hier. „Mein erster Gedanke war, dass ich die Polizei anrufen muss wegen Diebstahl“, berichtet die 69-Jährige. "Erst kurze Zeit später habe ich realisiert, dass es eventuell abgeschleppt worden sein könnte."

Hilfesuchend geht sie in den Supermarkt und fragt einen jungen Mann an der Kasse nach der Filialleitung. Schnell mischt sich eine andere Angestellte ein und drückt der Rentnerin einen Zettel mit einer 0180-Nummer in die Hand. Erst nach einigem Hin und Her und einer gewissen Hartnäckigkeit kann sich Petra Dancoisne durchsetzen und darf den Chef sprechen. Dieser half ihr dann nach einiger Zeit auch und gab ihr den Telefonhörer, nachdem sie die Nummer gewählt hatte. Am Ende der anderen Leitung ein Mitarbeiter der Parkräume KG aus Berlin. Von ihm erfährt sie, dass ihr geliebter Kleinwagen abgeschleppt wurde. Nur, wenn sie jetzt zur Bank geht, die Summe von 296,50 Euro überweist und darüber einen Nachweis erbringt, erfährt sie, wo ihr Fahrzeug steht und kann es wieder abholen. "Richtig gedrängt haben die mich zu der sofortigen Überweisung“, erzählt Dancoisne. „Als ich meinte, die Banken hätten jetzt schon zu, bekam ich zur Antwort, dass die Sparkassen heute ja bis 18 Uhr geöffnet hätten.“ Überwiesen hat die Rentnerin erst einmal nicht, obwohl sie ihr Auto für die täglichen Besorgungen benötigt, denn aufgrund ihrer kleinen Rente hat sie nicht einfach 300 Euro übrig.

Zuhause informiert sie sich im Internet über die Parkräume KG und findet bundesweit Mitteilungen zu etlichen Vorfällen, die im Zusammenhang mit dem Unternehmen stehen. Einige, die sich durch die Parkräume KG genötigt und erpresst fühlten, haben bereits Anzeige erstattet und sind vor Gericht gezogen. Dancoisnes Unsicherheit wächst, denn ihr kommen immer mehr Zweifel an der Seriosität der Firma. Gerade der Punkt, dass sie nicht weiß, wo ihr Auto sich zu diesem Zeitpunkt befindet, setzt ihr zu. Deswegen erstattet sie bei der Polizei Landshut Anzeige wegen Nötigung.

Insgesamt liegen der Polizei Landshut aktuell fünf Anzeigen vor, welche die Parkräume KG betreffen. Die Ermittlungen im Bereich Nötigung und Erpressung seien angelaufen, denn ein Anfangsverdacht sei gegeben, so die Beamten. Das Abschleppen von Fahrzeugen sei Alltag. Jedoch nicht, dass sie irgendwo in der Landschaft abgestellt werden und weder Besitzer noch Polizei wüssten, wo das der Fall ist. "Das ist sicher nicht in Ordnung", berichtet die Polizei. Schleppt die Polizei ab, so bekommt der Halter die Örtlichkeit genannt und kann sein Fahrzeug abholen. Im Nachhinein flattert ihm dann natürlich die Rechnung ins Haus. So kennt auch Petra Dancoisne den Vorgang, denn auch sie wurde schon einmal von der Polizei abgeschleppt. „Da hat mir die Polizei sofort Auskunft gegeben, dass das Fahrzeug auf einem gesicherten Parkplatz steht. Wenn ich dort mit Bargeld hingehe, dann kann ich es abholen, erzählt die 69-Jährige. Doch bei der Parkräume KG ticken die Uhren scheinbar anders. Prof. Dr. Jan Bockemühl, Fachanwalt für Strafrecht, aus Regensburg, kann es zwar aus menschlicher Sicht nachvollziehen, aber gesetzlich ist die Forderung der Parkräume KG nicht rechtswidrig. Der Sachverhalt von Erpressung und Nötigung sei hier nicht gegeben. So hat auch Mitte letzen Jahres das Landgericht München entschieden, als es eine 29-fache Anklage wegen gewerbsmäßiger Erpressung abwies. Die Revision am Bundesgerichtshof steht noch aus.

Drei Tage hat die Rentnerin mit sich gerungen und dann 130 Euro statt der geforderten knapp 300 Euro überwiesen. Diese Summe habe das Landgericht Landshut 2014 als fair für die Kosten eines Abschleppvorgangs festgesetzt. Geholfen hat ihr das allerdings wenig, denn das Unternehmen forderte die Restsumme von ihr ein - und der Standort des Kleinwagens war weiterhin unbekannt. Schweren Herzens entscheidet sich die 69-Jährige Autobesitzerin zwei Tage später dazu, die Restzahlung zu leisten, weil sie nicht länger auf ihren fahrbaren Untersatz verzichten konnte. Doch mit der Zahlung allein war es für die Parkräume KG nicht getan. Auf Nachfrage, wie sie denn den Beweis der Zahlung erbringen soll, wurde ihr telefonisch mitgeteilt, dass ein reiner Überweisungsbeleg nicht ausreiche. Sie solle jeweils mit einem Bild ihren Kontostand vor und nach der Abbuchung festhalten und zudem noch ein Foto von der Überweisung selbst machen, auf der die TAN-Nummer zu sehen sei.

Gesagt, getan. Kurze Zeit später erhält sie eine SMS mit dem Standort ihres Fahrzeugs. Nachdem ihr die Straße absolut unbekannt war, entschloss sich Petra Dancoisne dazu, ein Taxi zu rufen. Zum Glück erwischte sie einen netten Taxifahrer, der sie nicht nur zum Wunschziel brachte, sondern mit ihr auch nach Beschädigungen, die durch den Abschleppvorgang und das Abstellen des Fahrzeugs entstanden sind, an ihrem Auto suchte. Tatsächlich fanden die beiden eine kleine Beschädigung an der Felge, welche die Rentnerin später auch zu Dokumentationszwecken bei der Polizei zur Anzeige brachte.

Zwar sei ihre Mobilität nun nicht mehr eingeschränkt, aber der Schreck sitze immer noch tief. Petra Dancoisne wünscht niemandem, dass er das gleiche durchmachen muss, wie sie. Gerade deswegen versuche sie auch, mit den begrenzten Mitteln, die ihr zur Verfügung stehen, gegen das Geschäftsgebaren der Parkräume KG vorzugehen. Es könne nicht angehen, dass jemand, dessen Auto abgeschleppt wurde, der Willkür dieses Unternehmens ausgesetzt sei, erzählt sie im Interview. Einen Anwalt jedoch kann sie sich nicht leisten. In einem Schreiben an REWE brachte sie ihren Unmut zum Ausdruck, entschuldigte sich aber sogleich für ihr Fehlverhalten. Die Supermarktkette hatte nämlich erst kurze Zeit vorher Schilder an dem Parkplatz aufstellen lassen, welche die maximale Parkzeit auf anderthalb Stunden beschränkte und die Stellplätze für REWE-Kunden reservierte. Bermerkt hatte Petra Dancoisne die Schilder nicht, weil sie regelmäßig in dem Supermarkt einkaufen geht. Trotzdem ist sie der Meinung, zu Anfang hätte vielleicht eine Verwarnung genügt. Es muss nicht immer gleich Abschleppen sein und wenn doch, dann bitte mit einer anderen Abschleppfirma.

Redaktioneller Hinweis: Wir haben sowohl REWE als auch die Parkräume KG um eine Stellungnahme gebeten. Während sich die Supermarktkette knapp äußerte, warten wir von der Parkraum-Bewirtschaftungsfirma seit fünf Tagen auf eine Antwort!


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